1896 Salonwagenfarben (Kamerad)
Salonwagen 1896 in Der Kamerad : unterhaltende u. belehrende Zeitschr. für dt. Militärs aller Grade u. Waffen, sowie für patriotisch gesinnte Bürger
Nr. 22. Dresden, den 28. Mai 1896. 34. Jahrgang.
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König Albert auf der Eisenbahn.
Die vielfachen Reisen Sr. Majestät des deutschen Kaisers
haben den auf der Eisenbahn benutzten, aufs komfortabelste eingerichteten
kaiserlichen Hofzug in fast allen deutschen Gauen bekannt
gemacht, und überall, wo die durch ihre Größenverhältnisse
und den in weißer und kornblumenblauer Farbe gehaltenen Anstrich
auffallenden Hofwagen erschienen, begegneten sie der regsten Aufmerksamkeit.
Es dürfte daher unsere sächsischen Leser gewiß interessieren,
auch einmal etwas über die Art und Weise zu hören, wie Se.
Majestät unser König Albert auf der Eisenbahn reist.
Zum Gebrauch des Königspaares stehen z.Zt. im Betriebsmittelpark
der Sächsischen Staatsbahnverwaltung vier sogenannte
"Königl. Salonwagen" und ein "Hofdienstwagen" zur Verfügung.
Diese haben gegenwärtig ihren Standort auf dem Schlesischen
Bahnhofe zu Dresden in dem sogenannten "Königsschuppen",
einem witterungssicheren, wenn auch einfachen Bau, der aber beim
nahenden Umbau genannten Bahnhofes fallen wird, um in der
Nähe des Altstädter Hauptpersonenbahnhofes als Neubau zu erstehen.
Die vier Salonwagen führen die Nummern 443, 444, 447
und 448, der Hofdienstwagen die Nummer 210. Die Salonwagen
Nr. 443 und 444 sind die kleinsten und zugleich ältesten.
Sie wurden beide 1853 von der vorm. Leipzig=Dresdner Eisenbahn=Kompanie
erbaut und in den Jahren 1868 bez. 1874 von
der Staatsbahnverwaltung angekauft. Die Anschaffungskosten des
Wagens Nr. 443 betrugen 12,100 Mk. 34 Pf., die des Wagens
Nr. 444 14,588 Mk. 63 Pf. Letztgenannter Wagen hat ein
Gewicht von 11,400 kg, eine Länge von 7,950 m, eine Höhe
von 3,190 m und eine Breite von 2,490 m. Abgesehen von
der Breite sind die sonstigen Größen= und Gewichtsverhältnisse
des Salonwagens Nr. 443 etwas kleiner. Beide Wagen haben
reich ornamentirte eiserne Außenwände mit dunkelgrünem Anstrich.
An jeder Langseite befinden sich 8 Fenster, an den Enden des
Wagens führen seitlich angebrachte eiserne Klapptritte nach dem
von den beiden Schmalseiten aus zugänglichen Innern, welches
mit prächtigen Holzverkleidungen versehen und mit dunkelgrünen
Polstergarnituren und sonstigem Komfort ausgestattet ist. Die
Uebergänge (Hinter= und Vorderperron) sind noch offen. Die
Heizung der Wagen geschieht mittelst Warmwasseranlage oder durch
die Dampfleitung, die Beleuchtung durch Oel, als Bremsvorrichtung
dient die Luftdruckleitung. Beide Salonwagen werden, ihres
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älteren Systems und der beschränkten Raumverhältnisse halber,
vornehmlich zu kleineren Reisen und Jagdausflügen benutzt.
Im Jahre 1885 beschaffte die Staatsbahnverwaltung mit
einem Kostenaufwande von 42,088 Mk. 74 Pf. einen neuen
Königl. Salonwagen, der von der Breslauer Aktiengesellschaft für
Eisenbahnwagenbau erbaut wurde und die Nr. 447 erhielt. Er
hat ein Gesamtgewicht von 19,250 kg, eine Länge von 10,460 m,
eine Höhe von 4,015 m, eine Breite von 2,920 m und läuft auf
drei Achsen. Das Wageninnere umfaßt sechs Abtheilungen: Vorraum,
großer Salon, Retirade, Korridor, kleiner Salon, Raum
für das Begleitpersonal. Beide Salons können in Schlafzimmer
umgewandelt werden. Die innere Ausstattung ist reich und gediegen,
ohne überladen zu sein, doch mit allem erdenklichen Komfort
versehen. Licht erhält der Salonwagen durch 7 Fenster auf
jeder Seite, der Zugang erfolgt von den Schmalseiten aus, deren
eine vom Salon aus mittelst eines sogenannten Faltenbalges den
Uebergang zu den anstoßenden Wagen vermittelt. Als Bremsvorrichtung
dienen die Luftdruckleitung, die Luftleerleitung und
elektrisches Notsignal. Die Beleuchtung geschieht durch Oelgas,
die Heizung durch Preßkohlen oder Dampf. Das Aeußere des
Wagens zeigt den schlichten braunen Lacküberzug, wie sämtliche
übrigen sächsischen Personenwagen.
Im Jahre 1891 wurde für den Gebrauch der Königlichen
Majestäten von der damit beauftragten Breslauer Aktiengesellschaft
ein neuer Salonwagen erbaut, der die Nr. 448 erhielt. Er läuft
auf vier Achsen, hat ein Gewicht von 36,000 kg, eine Länge
von 16,710 m, eine Höhe von 4,015 m und eine Breite von
2.900 m. Dieses durch seine außergewöhnlichen Größenverhältnisse
imposant wirkende Fahrzeug macht gleichwohl einen einfachen
schlichten Eindruck, indem es gleichfalls den üblichen braunen
Lackanstrich der sächsischen Staatsbahnpersonenwagen zeigt. Nur
das vergoldete Königswappen an den äußeren Langseiten des
Salonwagens verrät eigentlich die Bestimmung desselben. Das
reich und mit allen erdenklichen Bequemlichkeiten ausgestattete
Innere enthält 11 Abtheilungen: 2 Vorräume, 2 Korridors,
1 Salon, 1 Schlafzimmer, 2 Klosetts und 3 Räume für das
Begleitpersonal.
Zwölf Fenster an jeder Seite führen dem Wagen reichlich
Licht zu, der Zugang erfolgt durch die Schmalseiten, von wo
aus auch Faltenbälge den Uebergang nach den Nachbarwagen
vermitteln. Als Bremseinrichtungen dienen: Spindelbremse mit
Kettenrad, automatisch und nichtautomatisch wirkende Westinghousebremse,
Luftleerbremse und elektrisches Notsignal (Rayl).
Die Beleuchtung geschieht durch Oelgas und Kerzen, die Heizung
mittelst Warmwasseranlage oder Dampfleitung.
Die Kosten dieses Salonwagens betrugen 80,176 Mk. 20 Pf.
Zum Vergleich sei angeführt, daß die Anschaffungskosten für eine
der größten Lokomotiven der Sächsischen Staatsbahnen (ohne
Tender) rund 58,697 Mk., für einen der größten Personenwagen
I./II. Klasse 22,884 Mk. betragen.
Der im Jahre 1862 von Pflug in Berlin erbaute Hofdienstwagen
Nr. 210 entspricht einem Personenwagen II. Klasse und
enthält in 3 Abteilungen 22 Sitzplätze.
Die zuletzt genannten Salonwagen Nr. 447 und 448 werden
einzeln oder zusammen besonders zu größeren Reisen der Majestät
benutzt, und zwar ev. in Verbindung mit besonderen Wagen
für das Gefolge und für das Gepäck, resp. für die Küche.
Die Wagen werden entweder in die fahrplanmäßigen Züge eingestellt
oder in Hofsonderzügen befördert. Ein solcher Sonderzug enthält
in der Regel außer der Lokomotive einen Zugführerwagen, einen
Personenwagen für den Zugbegleiter ev. gleichzeitig für das Gefolge,
einen Personenwagen I./II. Klasse für das Gefolge, den
Salonwagen für die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften, den
etwa weiter nötigen Personenwagen für das Gefolge und den
Gepäckwagen. Küchen= und Equipagenwagen werden für gewöhnlich
in dem Sonderzuge, um diesen nicht zu sehr zu belasten,
nicht eingestellt, vielmehr mit vorher oder nachher verkehrenden
fahrplanmäßigen Zügen befördert.
Die Abfertigung der Hofzüge, die auch andern Monarchen
und regierenden Fürstlichkeiten gestellt werden, richtet sich nach
besonders erlassenen Bestimmungen, die von den beteiligten Dienststellen
und Beamten die größte Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit
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und Pünktlichkeit fordern. Sobald ein Hofsonderzug bei der
Generaldirektion der Staatseisenbahnen bestellt worden ist, stellt
die Transport=Oberinspektion besondere Fahrpläne auf, die an
die beteiligten Dienststellen zu verteilen sind. Der Fahrplan ist
strenge innezuhalten, das Betriebsmaterial ist vor Zusammenstellung
des Hofzuges sorgfältig auf tadellose Beschaffenheit zu
untersuchen, das Zugspersonal hat aus ganz besonders vertrauenswürdigen
und diensterfahrenen Leuten zu bestehen.
Der Hofzug wird in der Regel vom Transport=Direktor
Winkler, der hierzu in Galauniform erscheint, begleitet, auf der
Lokomotive nimmt ein höherer Beamter der Maschinen=Oberinspektion
(in schwarzem Anzug und hohem Hut) Platz. Alle bei der Abfertigung
und Begleitung des Hofzuges sonst noch beteiligten
Beamten erscheinen in guter Uniform mit weißen Handschuhen
und angelegten Dekorationen. Zum Degen wird der Hut oder
die rote Mütze getragen.
Beiläufig bemerkt, gehört zu Galauniform der höheren
Eisenbahnbeamten ein dunkelgrüner Waffenrock mit einer Reihe
gelber glatter Knöpfe, hellgrünem Passepoil, Aufschlägen und
Kragen von hellgrünem, goldbesticktem Samt und goldenen Epauletten
resp. Achselstücken; ferner schwarzgrauen Tuchbeinkleidern
mit oder ohne Goldtresse, dreieckiger Hut mit Kokarde und goldner
Agraffe, Degen mit goldnen Schwungriemen und silbernem
Portepee. Auch die Portiers tragen eine Galauniform, nämlich
einen langen dunkelgrünen Livreerock mit hellgrünem Umschlagkragen
und zwei Reihen gelben Wappenknöpfen, dreieckigen Tressenhut,
Tressenbandolier und silberbeschlagenen Portierstock.
Kehren wir wieder zum Hofzug zurück. Vor der Abfahrt
desselben haben sich der maschinentechnische Beamte sowohl, als
auch der Stationsvorstand und der Zugsführer gemeinschaftlich
davon zu überzeugen, daß der Zug vorschriftsmäßig formiert und
mit allen erforderlichen Ausrüstungsgegenständen und Betriebsmaterialien
versehen ist. Die den Salonwagen bedienenden
Schaffner sind besonders ausgesuchte Leute, sie werden im Eisenbahnermunde
„Königsschaffner" genannt. Alle Verrichtungen am
Zuge und die Beförderungen desselben haben möglichst geräuschlos
zu geschehen, auf Zwischenstationen haben Lokomotivführer,
Wagenrevisoren und Wagenwärter ihre Maschine und die Wagen
während des Aufenthaltes genau zu untersuchen. Die Bahnhofsgeleise,
welche der Hofzug zu durchfahren hat, sind mindestens
15 Minuten vor der Ankunft desselben frei zu halten; alle
Rangierbewegungcn auf diesen und den Nebengleisen sind einzustellen.
Die Bewachung der von einem Hofzug befahrenen Strecke
ist eine ganz besonders sorgfältige; die zuständigen Bauinspektoren,
Stationsvorstände und Bahnmeister haben sich rechtzeitig und
eingehend von dem betriebssicheren Zustande ihres Bereichs zu
überzeugen, zumal des Nachts müssen alle Wärter und Arbeiter
mit Laternen versehen, auch alle Diensträume erleuchtet sein.
Die Abfahrt von Dresden erfolgt entweder von der besonders
eingerichteten Haltestelle Strehlen (Königliche Villa) oder von
den Dresdner Bahnhöfen aus. In letzteren, auch in anderen
größeren Stationen der Provinz, sind für den Gebrauch der
Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften besondere Wartezimmer,
sogenannte "Königszimmer" eingerichtet.
Nachdem die Königlichen Salonwagen nach beendeter Reise
der Allerhöchsten und höchsten Herrschaften in die Heimatstation
(Dresden) zurückgekehrt sind, werden sie sofort der Betriebswerkstatt
zugeführt, um dort einer genauen Revision unterzogen zu
werden. Vor der erneuten Ingebrauchnahme durch die Majestäten
werden die Wagen auf einer Probefahrt geprüft.
Die innere Reinigung liegt den Königlichen Wagenhaltern
ob, welche zum Königl. Oberstallamt gehören. Die äußere
Reinigung geschieht durch Arbeiter des Dresdner Schlesischen
Bahnhofes, welche hierfür alljährlich eine Gratifikation vom
Oberstallamt erhalten. Auch die „Königsschaffner" erhalten für
jede Fahrt ein besonderes Douceur, nicht minder die mit dem
Ein=, Um= oder Ausladen des Königlichen Gepäcks beauftragten Arbeiter.
Bei größeren Reisen ins Ausland begleiten die Salonwagen
vom sächsischen Personal nur der Bremswärter und der Wagenhalter.
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Die Königlichen Majestäten genießen auf allen Linien der
Sächsischen Staatsbahnen, zugleich für ihre Gäste, das Gefolge
und das Gepäck, freie Beförderung, nicht so die übrigen Mitglieder
des Königshauses. Für deren Reisen, wenn sie nicht
im Gefolge der Majestäten unternommen werden, werden gegen
Lösung von Fahrkarten 1. Klasse entweder die Salonwagen der
Verwaltung gestellt oder Wagenabteilungen in Personenwagen
1. Klasse reserviert.
E.S.“[]